Der Draht nach Berlin: Junge Migrant*innen im Gespräch mit Bruno Hönel

Was bewegt junge Migrant*innen in Lübeck? Welchen Hindernissen auf dem Weg zur Integration sind sie ausgesetzt? Einen kleinen Einblick dazu gaben eine junge Frau und drei junge Männer aus Afghanistan, Eritrea und dem Irak sowie drei Migrationsberater*innen des JMD dem Lübecker Bundestagsabgeordneten der GRÜNEN, Bruno Hönel.

Trafen sich im Foyer der Kirchenkanzlei: (v. l.) Bruno Hönel, Serap Berrakkarasu, Sadia, Samir, Abraham und Wolfgang Cramer. Nicht auf dem Foto: Abdulla Mehmud, Walid, Dörte Eitel und Cornelia Bauke.

Dieser ist in Berlin unter anderem auch für die Jugendmigrationsdienste zuständig – und hat dessen Aufstockung um 8 Millionen Euro verkündet. Zudem bringt die Bundesregierung gerade das so genannte Chancenaufenthaltsrecht auf den Weg.

Dass es in Sachen Asylrecht und Soziales aber noch viel tun gibt, wurde im Verlauf der Gespräche mehr als deutlich. Sadia (18) zum Beispiel ist vor mehr als zwei Jahren mit ihrer Familie aus Afghanistan geflohen. In fließendem Deutsch berichtete sie von ihrer schwierigen Wohnsituation: „Ich möchte, dass Deutschland mein Zuhause ist, aber ich habe im Moment kein Zuhause. Ich wohne seit über zwei Jahren mit meiner Großmutter und meiner kleinen Schwester in einem Container, auf 16 Quadratmetern.“ Es gebe auch kein W-LAN, so dass die Auszubildende zur zahnmedizinischen Fachangestellten dort nicht lernen könne. Eine Wohnung für die insgesamt fünfköpfige Familie zu finden, sei praktisch unmöglich.

Das Problem kennt auch ihr Landsmann Samir (23), der als Kellner arbeitet und in einer winzigen Einzimmer-Wohnung haust. Er hat zudem mit einem ungewollten Stromlieferungsvertrag zu kämpfen, den er durch einen ungebetenen Telefonanruf unwissentlich abgeschlossen haben soll. „Hier gilt es, die gesetzlichen Möglichkeiten für Vertragsabschlüsse über Telefonanrufe möglichst zu streichen“, so Migrationsberater Wolfgang Cramer. Auch Abraham (24) aus Eritrea hat einen festen Job, lebt bereits seit sieben Jahren in Lübeck. „Ich darf nicht reisen“, berichtete er, „kann meine Familie nicht sehen.“ Sein Vater und Bruder seien inzwischen gestorben, nur seine Mutter sei noch am Leben. Mit 16 Jahren floh der heutige Anlagen- und Maschinenführer in der Lebensmitteltechnik aus seiner Heimat, wurde auf seiner Flucht durch die Wüste aufgegriffen, saß ein Jahr im Gefängnis. Bei seiner Ankunft in Deutschland hatte er keine Ausweispapiere mehr. Doch ohne Papiere und ohne Zeugen, die seine Identität bestätigen, sei er in einer ausweglosen Situation. „Nach derzeitiger Gesetzeslage kann er keine Niederlassungserlaubnis bekommen oder eingebürgert werden“, erklärte Wolfgang Cramer.

Praktisch ohne Perspektive lebt auch Walid (25) aus dem Irak. Der Elektriker habe eine Gestattung, aber als Iraker keine Chance auf eine Aufenthaltsgenehmigung, wie Migrationsberater Abdulla Mehmud erläuterte – trotz Abschiebestopps in seine Heimat. Nicht einmal ein Sprachkurs stehe ihm zu. Diesen darf er jetzt aber dank des VHS-Angebots „Deutsch für alle“ wahrnehmen. In seiner Heimatsprache Kurdisch sagte er: „Ich bin froh, in Deutschland zu sein, und möchte diesem Land dienen.“

„Wir haben hier junge Menschen, die etwas leisten wollen“, sagte Migrationsberaterin Serap Berrakkarasu. „Wir brauchen sie hier und sollten ihnen eine Chance geben.“ Bruno Hönel hörte sehr genau zu, machte sich Notizen. Die Erzählungen der jungen Menschen hätten ihn berührt, so Hönel. In Teilen konnte er Hoffnung geben, das manches besser wird. „Bis aber die Gesetze durch sind und umgesetzt werden, dauert es noch“, so der Politiker. Die Wohnungsnot sei ein allgemeines Problem: „Es gibt zu wenige bezahlbare Wohnungen, zudem wollen manche Vermieter nicht an geflüchtete Menschen vermieten.“

Worauf sich alle freuen: Im nächsten Jahr werden sie der spontanen Einladung von Bruno Hönel folgen und ihn in Berlin besuchen.

Info zum Chancenaufenthaltsrecht: Dieses besagt, dass Menschen, die zum 31.10.2022 seit fünf Jahren geduldet oder gestattet in Deutschland leben und straffrei sind, zunächst für 18 Monate ein Aufenthaltsrecht bekommen, um in dieser Zeit die Bedingungen für einen dauerhaften Aufenthalt zu erfüllen.

 

 

 

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