Gemeindediakonie Lübeck
10 Jahre „Knappe Kasse“ – Wegbegleiter des Kooperationsprojekts blickten zurück
1.000 Menschen haben von 2013 bis 2023 die Beratungsstelle aufgesucht, die sich heute im Pastorat der evangelischen Kirchengemeinde St. Aegidien befindet. Zu den vielen Menschen, die durch Irina Geronime und ihre Kollegin Melanie Grunwald wieder hoffen, gehört auch Silvia Sailer (60). Seit 2009 ist sie Klientin der Schuldner- und Insolvenzberatung der Gemeindediakonie Lübeck. Zehn Jahre lang nutzte sie außerdem das Beratungsangebot bei der „Knappen Kasse“. In einem Video-Interview, das im Rahmen der Veranstaltung gezeigt wurde, erinnerte sie sich: „2009 war eine Situation, wo ich dachte, jetzt brennt alles, da komme ich nicht mehr weiter.“ Aufgrund ihrer Depressionen konnte sie nicht mehr arbeiten, erhielt damals lediglich Krankengeld. „Ich hatte zwei Kinder im Teenageralter, der Vater hat keinen Unterhalt gezahlt“, berichtete die Lübeckerin. „Dann kam auch noch eine Jahresabrechnung, die ich nicht bezahlen konnte.“
Silvia Sailer ging zur Schuldner- und Insolvenzberatung der Gemeindediakonie Lübeck – „meine letzte Rettung“, wie sie sagt. 2013 empfahl man ihr dort, ergänzend die Beratung des Projekts in Anspruch zu nehmen. „Bei der Knappen Kasse kann man öfter Termine bekommen, so dass man immer begleitet wurde“, sagt Silvia Sailer. „Dort hat man mir geholfen z.B. durch Briefe schreiben, die wurden auch gleich abgeschickt. Oder wenn es gebrannt hat, wurde auch mit den Gläubigern telefoniert.“ Silvia Sailer: „Es ist sehr gut, dass es das gibt. Mich hat es gerettet.“
Die gelernte Bürokauffrau erhält inzwischen eine Erwerbsminderungsrente und bezieht Wohngeld. Seit Anfang 2023 befindet sie sich in einem Privatinsolvenzverfahren, ist bei ihren Kindern ausgezogen und hat eine eigene, kleine Wohnung bezogen. „Heute kann ich mir auch mal Dinge leisten, wo ich früher ein schlechtes Gewissen gehabt habe“, sagt die Mutter zweier Töchter und dreier Enkelkinder. „Ich kann meine Fixkosten bezahlen und ein unbeschwertes Leben führen. Dafür bin ich sehr dankbar.“
Das Gefühl, Ratsuchenden nachhaltig Hilfe geleistet zu haben: „Das ist das, was die Freude an unserer Arbeit ausmacht“, sagt die Sozialpädagogin Melanie Grunwald. Sie hat gelernt: „Es kann jeden treffen.“ Die Klientel reicht vom Studenten bis zur Rentnerin. Irina Geronime: „Die Ursachen für die Schulden sind breit gefächert.“ Das könnten der zu zahlende Unterhalt nach einer Scheidung sein, eine Krankheit, psychische Belastungen, Lebenskrisen.“ Nach dem Verlust der Arbeit gerieten viele in eine Schuldenfalle, nutzten Konsum als Ablenkung und kommen damit in einen Teufelskreis. Melanie Grunwald: „Viele sind allein damit, gerade Ältere ziehen sich dann oft zurück.“
Den ersten Schritt aus dieser Situation tun die Ratsuchenden selbst, indem sie in der Beratungsstelle anrufen. Diese leistet dann eine niederschwellige, ganz praktische Hilfe, oft ergänzend zur regulären Schuldnerberatung. Irina Geronime: „Auf Wunsch machen wir auch Hausbesuche, begleiten zu den Behörden, zum Jobcenter oder zu den Banken. Wir helfen bei den Anträgen, etwa für Wohngeld oder Rente.“ Bei Sprachbarrieren werden Dolmetscher*innen eingesetzt. Auch während der Corona-Pandemie war die Beratungsstelle geöffnet – „dafür waren unsere Kundinnen und Kunden sehr dankbar“, so Geronime. Gerade in dieser Zeit seien viele von Kurzarbeit betroffen gewesen. Auch die Nachwirkungen der Pandemie seien in der Bratung noch zu spüren sowie die zunehmende finanzielle Not durch steigenden Energie- und Lebensmittelpreise.
André Weidmann, Bereichsleiter Gesundheit und Soziales bei der Gemeindediakonie Lübeck, ergänzt: „Personengruppen, die von anhaltender und wachsender Verarmung betroffen sind, bedürfen besonders intensiver Unterstützung. Dies betrifft auch Menschen, die kritische Lebensereignisse zu bewältigen haben und mit radikalen Einkommenseinbußen zurechtkommen müssen.“ Durch seinen niedrigschwelligen Zugang habe das deutschlandweit einmalige Projekt „Knappe Kasse“ eine Lücke in der Lübecker Beratungslandschaft geschlossen.
Ohne die Unterstützung der Possehl-Stiftung Lübeck wäre dies nicht möglich: Seit 2013 fördert die Stiftung das Projekt „Knappe Kasse“. Aktuell läuft das Projekt der Schuldnerberatungsstellen der Hansestadt Lübeck, der Gemeindediakonie Lübeck e.V., pro Arbeit e.V. GATE sowie der Rechtsfürsorge e.V. Lübeck (Resohilfe) im Zeitraum 1.11.2021 bis 31.12.2024 mit einer Fördersumme von 496.938 Euro. Darüber hinaus stellt die Stiftung Mittel für kurzfristige Nothilfen zur Verfügung. Stiftungsvorsitzender Max Schön: „Wir sind sehr froh, dass es dieses Projekt gibt. Lübecker*innen in finanziellen Notsituationen erhalten hier auf direktem Wege Hilfe und bekommen die Chance, wieder Sicherheit in ihren Alltag zu bringen. Unser großer Dank gilt daher auch jenen, die diese tolle Arbeit machen: Sie sind fachkundig und zugleich ganz nah dran an den Menschen, das ist wirklich großartig!“
Durch ihre aufsuchende Präventionsarbeit in Schulen, Suchtkliniken oder Familienzentren bemühen sich Irina Geronime und Melanie Grunwald darum, dass möglichst viele Lübeckerinnen und Lübecker von dem Projekt erfahren – und möglichst gar nicht erst in die Schuldenfalle geraten.
Kontakt
Melanie Grunwald, Tel. (0451) 707263-10
Irina Geronime, Tel. (0451) 707263-11
E-Mail: info@clever-haushalten.com